Transformation. Disruption. Große Worte, aber nur mittlerweile leider reiner Bullshit. Aber es gibt tatsächlich Unternehmen oder Industrien, die sich schlichtweg weigern, Evolution anzuerkennen. Der Stahlhandel ist – oder war – einer dieser Saurier.

Deshalb auch dieser Kracher als Titel. Verformung, Spanend, Spannend – geiler Wortwitz. *wink wink nudge nudge*

Die Welt, die diese Industrie kennt, ist einfach komplex: ERP und interne Prozesse und Denkmuster bestimmen alles, Vertrieb verhandelt persönlich mit jedem einzelnen Kunden jeden einzelnen Schmoo. Das macht das ERP und jeglichen Prozess noch komplexer und deshalb heißt es dann „der Grund unseres Erfolges“.

Die Welt heute dreht schnell. Viel schneller, als Dinosaurier es sich überhaupt vorstellen können. Dabei ist aber alles komplex einfach. Ein paar Dinge sind durch Technologie sicherlich anders geworden, aber im Wesentlichen geht es um Skills und vor allem die richtige Einstellung, Dinge zu tun. Und wo ist der Stahlhandel nun genau? Naja, irgendwo auf dem Weg dazwischen. Zwei Größen haben den Schritt gewagt und sind fast gleichzeitig mit neuen Angeboten online gegangen. Self-Service und C-Kunden-Management. Persönlicher Fokus auf Key Accounts. Weißte? *wink wink nudge nudge*

Man hat jetzt also einen Shop: Salzgitter Mannesmann Stahlhandel vs. Klöckner & Co Deutschland. Schauen wir mal genauer hin.

Round 1. Fight!

Startseite

Design ist nun mal Geschmackssache, trotzdem gibt es ein paar Grundregeln, auf die die ich mal blicken möchte. Dass es um Stahl beziehungsweise Metal geht, bekommt man beim Betreten der Shops schon mit, dass es ein waschechter Shop ist, geht bei Salzgitter leider unter. Der sonst übliche Warenkorb ist nicht zu sehen. Vielleicht kommt der ja erst später? Viel schlimmer aber noch ist das Logo. Beim ersten Blick glaube ich, bei einer Seite namens e-SHOP zu sein, der Firmenname geht weiß auf grau als Schriftzug einfach unter. e-Shop – wer kommt im 21. Jahrhundert eigentlich auf solch einen Namen?

Generell wirk die Seite von Salzgitter als ob die Entwickler (das ist gemein formuliert, aber wirklich nicht böse gemeint) die graphische Gestaltung einfach mitmachen sollten. Wo sie schon eh einmal am System basteln sind …

Wenn man ganz ehrlich ist, sieht eine Seite so aus, als ob sie tatsächlich verkaufen möchte und die andere so, dass man wenigstens sagen kann: wir haben jetzt auch einen Shop.

Produktübersicht

Ab hier verzichtet Salzgitter vollständig auf den Unternehmensnamen, URL muss wohl ausreichen. Vielleicht will man ja die Händler doch nicht so richtig verärgern … Und wenn der Name nirgends auftaucht, bekommen sie das bei Google und Co auch nicht mit.

Egal, bei beiden gibt es klassisch Einstieg über Kataloge und Kategorien, die ab der ersten Ebene durch Facetten ergänzt werden. Aber auch hier wieder wirklich überflüssige Bugs bei Salzgitter, wie der Screenshot schön zeigt. Man ist fancy und nutzt Infinite Scroll, nur leider zerhaut der in der Hälfte der Fälle das Design komplett und ich sehe bis zum ersten Nachladen nur viele identische Kacheln und vielleicht angeschnitten einen Teil des Namens. Wenn so etwas in QA und Abnahme nicht auffällt, muss man sich schon Fragen stellen. Dass das seit dem Livegang nicht behoben ist, verwundert fast noch mehr …

Ehrlich, ich will keinen der Kandidaten schlecht machen, aber Salzgitter macht bis zu diesem Punkt nur wenig richtig. Das eigentliche Problem der Produktliste ist nämlich die absolute Sinnlosigkeit. Da ich das ein oder andere Shop-Projekt schon gesehen habe, glaube ich auch zu wissen, was das Problem ist. Angezeigt werden in manchen Kategorien nämlich hunderte Produkte, in der gleichen Kategorie bei Klöckner nur eine Handvoll. Einer von beiden hat im Rahmen des Projektes nämlich mal auf das Thema Produktdaten geschaut und entsprechend Produktbeziehungen gepflegt. Salzgitter hat gar nicht wirklich so viele Produkte im Angebot. Das sind einfach alle möglichen Varianten, die sich aus den einzelnen Materialien (SAP) beziehungsweise SKU (Shop) ergeben. Wären Variationsattribute gepflegt, hätte man recht wahrscheinlich eine schönere Darstellung. So ist die Liste absolut nicht hilfreich, zumal der einzige – wenn überhaupt – Unterschied die Maße im Produktnamen sind. Und die zur Verfügung stehenden Facetten helfen auch nicht immer, sich im Wust der vielen Produkte zurechtzufinden. Wenn es Bleche in 12 verschiedenen Stärken gibt, sollte man die Facette nicht auf 3 Auswahlmöglichkeiten zusammenpressen. Technisch mag das alles begründbar sein, aber ein guter Berater hätte an der Stelle sicherlich einen besseren Vorschlag gemacht.

Auch hier also: eine Seite kann verkaufen, die andere theoretisch auch.

Suche

Auch hier haben beide versucht sich an übliche Standards zu halten. Salzgitter setzt auch Kacheln und Facetten mit eben den selben Problemen aus der Qualität der Produktdaten. Sehr viele Ergebnisse und schlecht geschnittene Filter sorgen für eine oft chaotische Übersicht. Klöckner setzt auf eine Produktliste, bei der leider manchmal die Spalte der Filter um ein Vielfaches länger als die Ergebnisliste ist.

Eine Vorschlagssuche bzw. Type-ahead-Funktion bieten beide, die Sinnhaftigkeit der Sortierfunktion sehe ich aber nicht in allen Fällen. Klöckner ermöglicht nur Sortierung nach Name und Relevanz, bei Salzgitter ist der Preis eine weitere Option. Bei der Suche sollten also beide in den nächsten Releases deutlich nachlegen.

Produktdetailseite

Viel spannender ist aber – möglicherweise auch als Einsprungpunkt von außen und wenn SEO funktioniert – die Produktdetailseite. Aufgrund der schon gerade beschriebenen Produktdatenqualität gibt es einen entscheidenden Unterschied: Salzgitter bietet immer ein Attribut zur Auswahl weniger. Kann man mögen, aber aus Gründen der Usability und Logik, hat Klöckner das so schöner und bestellfreundlicher umgesetzt. Vielleicht will man ja wirklich mal eine Bestellung mit 2 mm und 3 mm Stärke absetzen. Da braucht es bei Salzgitter einige Klicks mehr.

Aber – und das ist positiv zu werden – ist bei Salzgitter das Thema Darstellung Preise und Preisstaffeln schöner gelöst. Ich sehe auf einen Blick, wann ich sparen kann. Vorausgesetzt ich kann grob abschätzen, wie sich die Abmaße auf das Gewicht auswirken. Rohstoff wird nämlich in Kilopreisen angegeben. Funktional nehmen sich beide Seiten nicht viel. Wenn es Zusatzoptionen gibt, sind diese einfach über Select auszuwählen.

Aber auch an dieser Stelle wirkt Klöckner etwas durchdachter. Die Anordnung der verschiedenen Informationen zum Produkt wirkt übersichtlicher, auch wenn beide auf ein 3-spaltiges Design setzen. Die optische Trennung ist bei Salzgitter nicht ganz einfach wahrzunehmen, es wirkt sehr wirr durcheinander. Ungünstig ist – so meine ich – auch die Tatsache, dass Salzgitter spätestens ab dieser Stelle einen Account einfordert, anonyme Warenkörbe sind nicht vorgesehen.

Allgemein

Das Thema Registrierung und Bestellung habe ich mir an dieser Stelle geschenkt, der persönliche Bedarf auf zentnerweise Metall ist sehr begrenzt. Aber ich vermute mal, dass beide Shops sich an dieser Stelle nicht viel nehmen werden – je nachdem was das jeweilige Backend an Informationen braucht und zulässt.

Hat nun die Digitalisierung im Stahlhandel begonnen? Ehrlich, das ist hoffentlich nur der erste Schritt. Digitalisierung heißt ja nicht nur das Fax-Bestellformular durch einen Online-Warenkorb zu ersetzen. Klöckner versucht auf der Seite zwar die Mehrwerte zu argumentieren, aber über die allgemein gültigen Platzhalter wie „rund um die Uhr geöffnet“ und „Verfügbarkeiten und Lieferzeiten einsehbar“ ist man auch noch nicht hinaus. Aber wenigstens das, jegliche Argumentation in diese Richtung spart sich Salzgitter vollends. „Mehr kaufen, Weniger bezahlen“  muss reichen, obwohl das offline eben auch so ist.

Mobil findet bei beiden momentan gar nicht nicht statt. Zusätzliche Möglichkeiten zur Integration wie beispielsweise Warenkorbimport, Punchout oder EDI werden nicht erwähnt. Bestimmt im nächsten Sprint. *wink wink nudge nudge*

Fazit

Man hat also einen Onlineshop. Hoffentlich weiß man, dass das noch lange nicht heißt, dass man irgendein Ziel erreicht hat. Ein Zwischenziel vielleicht, aber wirklich innovativ ist was anderes. Solche Shops für Metall gibt es ganz ehrlich schon lange, nur für die beiden Kandidaten ist es möglicherweise neu. Schade, dass man nichts innovatives gebracht hat und nur versucht hat wieder Anschluss herzustellen.

So richtig agil und (Neu)kundenzentriert ist man möglicherweise noch nicht. Vielleicht misst und trackt man noch und überlegt, an welche Stelle man als nächstes angreift.

Es wird spannend zu sehen, was sich in der Zukunft tut, aber größere Änderungen seit Go-live sind noch nicht zu sehen.